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WYSZUKIWARKA

KULTURA 28.07.2013 19:53
Zusammenarbeit: Iwona Siwek-Front & Five
Auf der Venus ist das Bier billiger als auf dem Mars, 28.XI.2012, +8*C, 17:41
Kein Einverständnis? Mesalliance? Missklang? Nein! Eine völlig neue Qualität! "Ich liebe Trash" - sagt Iwona Siwek-Front - und schafft aus Gefundenem, Gesehenem, Gehörtem ihre einmalige "Recycling"-Kunst, wo die entgültigen Kunstformen so vielfältig und überraschend wirken wie ihre verschiedenen Komponenten eben sind. Am Ende weiss man ja nie, was man ergreift, was man erblickt, was man erhascht... Und das am Ende dienen soll, nun als Kunstwerk vollständig von den ursprünglichen Funktionen der Einzelteile gelöst.

Iwona SF's künstlerisches Schaffen umfasst Malerei, Zeichnung, Comic, Illustration, Wandmalerei, Animation, "ready-made", "objet trouvé"... Jedes Werk wird mit dem Namen, Datum, der auf die Minute genauen Zeit und der aktuellen Lufttemperatur unterzeichnet - das macht aus der Unterschrift eine Art Marke, das Erkennungszeichen und persönliches Logo der Künstlerin.

Zufälligkeit, Fragmentiertheit, Unbrauchbarkeit, Unbestimmtheit der "gefundenen" Vorkommisse, Objekte oder Wörter, bestimmen die eine Hälfte des Inhalts und die Form der Werke. Die andere Hälfte ist die Zusammensetzung der Komponenten nach dem neuen Konzept des Künstlers (Iwona benutzt konsequent die männliche Form von "Künstler", jedoch nicht aus Trotz gegenüber der Feministinnen, sondern um die grammatische Unterscheidung von Geschlechtsbezeichnungen zu nivellieren, Künstler ist Künstler, Sie oder Er). Oder sind etwa die Proportionen ganz anders? Egal. Hauptsache, es ist eine neue Ganzheit entstanden. Eine einzigartige Komposition, die einzige in der Welt. Das Logo garantiert die Echtheit und die Authentizität des Werkes im Zeitalter der standarisierten Massenprodukte.

"Ready-made"? "Objet trouvé"? Déjà vu? Ja! Diese hundert Jahre alten dada-Konzepte werden im heutigen Neodada wiedergeboren. Als zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts die stabile, langlebige und starre Welt des neunzehnten Jahrhunderts des Bürgertums vor den Augen seiner Zeitgenossen in tausend Stücke zerbrach, und ihre Mängel und Heucheleien offengelegt wurden, begannen sich die Künstler mit dem Abfall der alten Ordnung zu befassen und ordneten ihn von Neuem - ungezwungener, langsamer, freier, distanziert und mit Humor.

Das 21. Jahrhndert begann mit dem Schock der Zerstörung des World Trade Centers. Hundert Jahre nach dem ersten Weltkrieg zerbröckelt vor unseren Augen der globale Neokapitalizmus, hinterlässt Müllberge und eine wachsende Kluft zwischen Arm und Reich. So endet die Ära der Exzesse und des Überflusses und es beginnt die Zeit der galoppierenden Schulden und der Revolution der Empörten. Iwonas Vorbild Kurt Schwitters, der deutsche Dada-Künstler und Intellektuelle, protestierte sein Leben lang gegen die Banalität, die Dummheit und den Unsinn des Krieges. Künstler und Intellektuelle unserer Zeit widersetzen sich der  Dummheit, der Gier und der Verschwendung der Gesellschaften. Iwona Siwek-Front ist ein Neodada-Künstler.

Sie schnappt auf der Strasse, in Strassebbahnen und in Cafés Bruchstücke von Gesprächen auf, reisst Nachrichten aus den Medien aus ihrem Zusammenhang, greift Bonmots von Wandmalereien auf, speichert markante Gesichter von Stadtmenschen in ihrer Heimatstadt Krakau und porträtiert zahllosen Städte ohne Namen aus dem Nirgendwo. Unermüdlich skizziert sie und zeichnet und malt, und malt, und malt - ihre visionären Nachrichten und ihre eigentümliche Publizistik des Ende unserer Welt.

Iwonas Vater, der 2007 verstorbene renommierte Maler und Buchillustrator Marian Siwek, schuf dichte, schwere Gemälde voller Schmerz über das verschwendete Leben der Portr-ätierten. Iwona skizziert in Anlehnung an ihren Vater mit leichter Hand "Den letzten Kuss", als ironische Anspielung auf den Kuss Klimts und zeigt zugleich in Zeiten des Überflusses ein verhungerndes, abgemagertes Paar auf einer schäbigen Hausmauer - auf der Mauer lebt  das Bild nur kurz, da es jemand rasch übermalen wird, entweder die Strassenreinigung oder ein talentierter Street Fighter.

Nun, ja, die Mauer... Die Mauer ist in der modernen Stadt ein wichtiger Informationsträger und eine Grenze zwischen dem, wie es sein soll und wie es tatsächlich ist. So wie der Mauer ist der Corpus-Christi-Strasse, die das Kirchengelände von der Strasse und das Heilige vom Profanen abgrenzt. Auf der einen Mauerseite Stille, Gebete und Weihrauch unverändert seit dem Mittelalter, auf der anderen Seite der Krakauer Stadtteil Kazimierz, mit seiner langen Geschichte der Vorkriegszeit, der Kriegstragödie, der Nachkriegsentvölkerung bis hin zur  heutigen Renaissance und den Touristenscharren.

Die Kirche verharrt, die Mauer lebt und verändert sich mit der Stadt. Auf der Mauer passiert allerlei: Kunst und Schmierereien, Slogans von den Linken und den Rechten, der tägliche Vox Populi von Religion bis zur Liebe, Vulgäres und Kruzifixe ...

Iwona durchquert regelmässig die alten Strassen von Krakau. Nein, nicht die renovierten Strassen von Postkartenansichten, sondern jene, wo Hauswände und Mauer noch natürlich altern, bröckeln und zerfallen können. In ihrem Atelier voller Bilder und seltsamer Objekte, mit Balkon über die Ecke Weichsel- und Taubenstrasse und der stündlichen Trompetenmelodie vom Marienkirchenturm anstelle einer Uhr, malt sie dann ein Stück alter Mauer und darauf Geschichten und Inschriften. Und Unterschriften. Auf dem Bild "Meisen" untertitelt mit MEISEN, flattern zwitschernde Meisen am 28. Januar 2013 um 16:09 Uhr frühlinghaft bei 0 Grad Celsius und verdecken einen vulgären Ausdruck.

Auf dem Bild "Schlafendes Kommando" von selben Tag nur einige Stunden früher (13:51 Uhr) bei gleicher Lufttemperatur, hänger aus Putzrissen an der Mauer (mit der Inschrift BEZIRK INNENSTADT) einige Fledermäuse und schlafen erschöpft nach einer Nacht in Clubs, noch besäuselt und übermüdet... Solche "Nachtkommandos" huschen immer im Morgengrauen durch die Strassen von Kazimierz. Im vergangenen Sommer nahm Iwona nicht nur eine "Mauer" mit ins Atelier, sondern auch einen Streetart-Künstler mit, der seine  Wandbilder mit "FIVE"  oder "5" signiert. Sie schlossen sich zusammen: Er füllte mit einer Spraydose Schablonen aus, sie ergänzte die gemeinsamen Werke mit Strichen und Farben.

Auf diese Weise entstand unter anderem das große Bild "HOFFNUNG - FURCHT". Vor dem Hintergrund der Stadt (offensichtlich Warschau) ist eine Menschenmenge mit Fahnen und Porträts bekannter Politiker zu sehen, der eine heisst Herr Hoffnung, der andere Herr Furcht. Die Menge bejubelt gleichfalls beide.

Der Streetart-Künstler FIVE ging kurz danach nach London, denn dort sollen die Mauer grösser, die sozialen Unterschiede offensichtlicher und das Ende der Welt näher sein... übrig blieben leere Spraydosen (diese bedeckte Iwona als "Fundstücke", "Objets trouvés",  mit weißer Farbe und Comicszenen), verbrauchte Schablonen - mal als Bildnis der Jungfrau Maria allerdings ohne Heiligenschein, mal ein Bildnis von Audrey Hepburn aus dem Film "Frühstück bei Tiffany", oder der Politiker Palikot mit Heiligenschein, und eine Katze mit Sehr-Grossen-Ohren. Alles sehr nützliche Abfälle und Arbeitsmaterial für Neodadaisten.

Auf der beiläufig duplizierten Katze mit den Sehr-Großen-Ohren präsentiert Iwona einen Dialog zwischen zwei Köpfen: "wenn man beliebt ist, ist man unterschiedlichen Abenteuern ausgesetzt" - "Der trügerische Schein ist für Menschen ein Dogma..." Und so besprühte sie die sprechenden Köpfe mit Blau und Rot. Zwischen der Katze mit den Sehr-Großen-Ohren und den Ohren der Köpfe erscheint in zartem Blau auf den Augen der sprechenden Köpfe das Wort ARSCH... Und die Signatur des Künstlers: Iwona Siwek-Front, 8.I.'13, 12:51, -3°C. Die linke untere Ecke des Bildes abgeschnitten. Kunst und Müll. Art & Junk. Eine unvollkommene Beziehung. Durchaus harmonisch.

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